- Physiknobelpreis 1908: Gabriel Jonas Lippmann
- Physiknobelpreis 1908: Gabriel Jonas LippmannDer französische Physiker erhielt den Nobelpreis für das auf Interferenz beruhende Fotografierverfahren.Gabriel Jonas Lippmann, * Hollerich (Luxemburg) 16. 8. 1845, ✝ auf See während der Rückreise aus Kanada, 12. 7. 1921; 1883-86 Professor für mathematische Physik, von 1886 bis zu seinem Tod Professor für Experimentalphysik an der Sorbonne in Paris; Lippmann erfand neben anderem den Coelostat, ein astronomisches Spiegelsystem, und das Kapillarelektrometer.Würdigung der preisgekrönten LeistungDer gebürtige Luxemburger Gabriel Lippmann entwickelte 1886 eine allgemeine Theorie für den Prozess der Farbfotografie. Die praktische Umsetzung machte jedoch erhebliche Schwierigkeiten. Erst am 2. Februar 1891 konnte er seine Erfindung der auf Interferenz beruhenden Farbfotografie veröffentlichen. Das Verfahren, ein Lichtspektrum zu fotografieren und über einen längeren Zeitraum zu fixieren, das er der Wissenschaftlichen Akademie in Paris vorführte, war eine Sensation. Den Nobelpreis erhielt er für den Nachweis stehender Lichtwellen.Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entdeckten die englischen Forscher Thomas Wedgwood und Sir Humphrey Davy die Lichtempfindlichkeit von Silbernitrat und Silberchlorid. Die ersten richtigen, allerdings nicht beständigen Aufnahmen, so genannte Heliographen, gelangen 1827 dem französischen Physiker Joseph Nicéphore Niepce. Der französische Theatermaler Louis Jacques Mancé Daguerre machte von 1831 an Aufnahmen mit einem Fixierverfahren mit Natriumthiosulfat. Zwischen 1848 und 1860 entwickelten schließlich Alexandre Becquerel (Nobelpreis 1903) und Abel Niepce de Saint-Victor, ein Neffe von Joseph Niepce, erste unbeständige Farbaufnahmen. Becquerel konnte zeigen, dass eine mit einer dünnen Silberschicht überzogene Platte genau die Farben darstellt, die auf sie einstrahlen. Doch es gelang ihm nicht, die Farben zu fixieren, noch deren Ursprung theoretisch zu erklären. Lord Rayleigh (Nobelpreis 1904) versuchte das Phänomen zu deuten. Danach entsteht die Farbe auf der Photoplatte durch eine stehende Welle.Der Trick mit der stehenden WelleEine stehende Welle entsteht, wenn sich die reflektierten Wellen mit den ankommenden so überlagern, dass immer an denselben Stellen Wellenberge und Wellentäler entstehen, während dazwischen dauernde Ruhe herrscht. Da diese Wellenbäuche immer an derselben Stelle stehen bleiben, spricht man von einer stehenden Welle. Lippmann nahm nun an, dass auf der Basis der Wellentheorie ein leuchtender Körper für jede Farbe gleich einem Ton schwingt. Um seine Lichtwellentheorie zu beweisen, musste er dem Licht eine »Falle« stellen. Er entwickelte eine Fotoplatte, die stehende Wellen abbilden konnte.Seine millimeterdicke, lichtempfindliche Emulsion bestand aus einem Gemisch aus Silbernitrat, Kaliumbromid und Gelatine. Das Licht fiel durch die unbehandelte Seite der Glasplatte auf die Emulsion und wurde von einem Spiegel aus flüssigem Quecksilber, der auf der Emulsion lag, zurückgeworfen. Wird eine solche Platte von einfarbigem Licht getroffen, wird dort, wo die Wellenbäuche der stehenden Welle lagen, das Silber photochemisch ausgeschieden. Es bilden sich in der dazu relativ dicken Emulsion parallele Ebenen aus Silber im Abstand einer halben Wellenlänge. Diese dünnen Silberschichten sind für Licht halbdurchlässig.Das auf die entwickelte und fixierte Platte senkrecht auftreffende weiße Licht wird von den Silberschichten teilweise reflektiert. Da die Wellen von verschiedenen Ebenen reflektiert werden, entstehen Gangunterschiede. Treffen Berg und Tal zusammen, löschen sich die Lichtwellen durch Interferenz aus. Nur die Farbe, mit der die Platte an der betreffenden Stelle belichtet worden war, leuchtet. Denn da der Abstand der Silberschichten für diese Farbe eine halben Wellenlänge beträgt, treffen immer Berg und Berg und Tal und Tal zusammen.Dieses Verfahren erzeugte reine Spektralfarben. Sie leuchten wesentlich klarer als die Mischfarben einer Dreifarbenfotografie. Ein großer Nachteil dieser Technik war es, dass die Bilder nur von vorne und nicht schräg von der Seite betrachtet werden konnten. Dennoch errang Lippmann auf der Weltausstellung 1892 in Paris einen großen Erfolg. Neben seinem Farbspektrum zeigte er vier weitere Fotografien, ein Kirchenfenster, eine Fahnengruppe, einen Teller Orangen und einen ausgestopften Papageien. Bewegte Motive konnten damit nicht aufgenommen werden, denn die sehr unempfindliche Fotoplatte Lippmanns benötigte noch eine Stunde Belichtungszeit.Als er auf der Weltausstellung 1900 zusammen mit seiner Frau im französischen Pavillon Selbstporträts und Landschaften aus Savoyen und Venedig ausstellte, errang er Weltruhm. Im selben Jahr begegnet er dem besten Fotografen und Kritiker seiner Zeit, dem Amerikaner Edward Steichen. Der war voller Bewunderung für Lippmanns Methode und meinte, die Leuchtkraft der Farben fände ihre Entsprechung nur noch bei Renoir.Die Brüder Auguste und Louis Lumière arbeiteten 1891 bereits an einem Verfahren auf der Basis der drei Grundfarben Grün, Blau und Rot. Sie waren aber von der Überlegenheit des Lippmann-Verfahrens so überzeugt, dass sie ihre eigene Forschung zurückstellten und mit ihm zusammenarbeiteten. 1894 gelang ihnen die erste farbige Porträtaufnahme. Obwohl Lippmann seine Methode nicht patentiert hatte, waren die Fortschritte zur Verbesserung des Verfahrens nur gering. Er forschte dennoch weiter und entwickelte eine Fotoplatte, die auf Hühnereiweiß (Albumin) basierte.Nobelpreis für ein gescheitertes VerfahrenAls Gabriel Lippmann 1908 schließlich den Nobelpreis erhielt, wusste er bereits, dass sein Verfahren technologisch gescheitert war. Denn die Belichtungszeit war mit einer Minute immer noch viel zu lang, die Methode insgesamt zu komplex. Ein großer Nachteil war auch, dass sich keine Kopien herstellen ließen. Das Nobelkomitee erkannte an, dass die zur selben Zeit von den Brüdern Lumiere auf den drei Grundfarben basierende Autochromplatte einfacher und populärer war. Es hielt jedoch die von Lippmann entwickelte Technik für wegweisend. 1910 schaffte die Autochromplatte den kommerziellen Durchbruch. Doch Lippmann arbeitete weiter an seiner Technik. Er versuchte, räumliche Bilder mit Tiefenwirkung zu erzeugen. Verändert der Betrachter den Blickwinkel, wird das Bild selbst verändert. Wenn Lippmann mit dieser Technik auch gescheitert ist, hat er mit der Entwicklung des Coelostaten, einem astronomischen Hilfsspiegelsystem, das das Licht der Sterne immer in die gleiche Richtung lenkt und somit lange Belichtungszeiten zulässt, und anderer Instrumente Bleibendes geleistet.Der erfolgreiche Physiker war auch in anderen Gebieten hoch gebildet. 1874 wurde er in Deutschland mit einer philosophischen Arbeit und 1875 in Frankreich mit einer über Elektrizität promoviert. Seine vielseitigen Interessen standen der wissenschaftlichen Karriere zunächst im Weg. Anfänglich scheiterte er mit dem Versuch, Lehrer zu werden. Als er 1873 in staatlicher Mission Deutschland bereiste, um Methoden der wissenschaftlichen Lehre zu erkunden, arbeitete er stattdessen bei den deutschen Physikern Gustav Kirchhoff in Heidelberg und Hermann von Helmholtz in Berlin. Damit waren die Grundlagen für eine Karriere in der Physik gelegt.U. Schulte
Universal-Lexikon. 2012.